Montag, 15. März 2021

Schloss Heidelberg | Allgemeines 18. März 1809: Karoline Kaulla, die reichste Frau Deutschlands, stirbt

Am 18. März 1809, vor 212 Jahren, starb Karoline Kaulla. Die jüdische Unternehmerin war zeitweise eine der reichsten Frauen Deutschlands – und sie war eng mit Württemberg und den Herrschern des Landes verbunden. Deutschlandweit wird in diesem Jahr mit einem großen Jubiläumsprogramm an „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erinnert. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg greifen das Thema auf und machen sich auf Spurensuche in den Monumenten.

EINE AUSNAHMEGESTALT

Am 18. März 1809, vor genau 212 Jahren, starb Karoline Kaulla. Die jüdische Unternehmerin zählt zu den einflussreichsten und vermögendsten Frauen ihrer Zeit. Sie erarbeitete sich einen außergewöhnlichen, geradezu legendären Ruf mit ihrem Handels- und Bankenimperium. Mit Württemberg war sie eng verbunden – obwohl es Juden seit dem Ende des 15. Jahrhunderts verboten war, im Land zu wohnen. Kaulla ermöglichte mit ihrer Bank dem lebenslustigen Herzog Carl Eugen den Bau vieler Schlösser, die Württemberg noch heute prägen. Und zusammen mit König Friedrich I. gründete sie eine Bank.

 

VON BUCHAU NACH HOHENZOLLERN

1739 kam Karoline Raphael als ältestes von sechs Kindern von Rebecca Wassermann und Raphael Isaak ben Benjamin in der oberschwäbischen Reichsstadt Buchau zur Welt. 1747 zog es die Familie nach Hechingen. Der Fürst von Hohenzollern-Hechingen bestimmte den wohlhabenden Vater zum „Hoffaktor“. Für seinen Auftraggeber sollte Raphael Isaak ben Bejamin Luxuswaren und Kapital bereitstellen. Ein einträgliches, aber auch riskantes Privileg. Das tragische Schicksal des württembergischen Hoffaktors Joseph Süß Oppenheimer – ebenso ein Jude – war noch frisch. Nach dem Tod seines Schutzherren Herzog Carl Alexander von Württemberg war er in einem Schauprozess 1738 zum Tode verurteilt worden – ein Justizskandal.

 

DER AUFSTIEG DER KAUFFRAU

1760 übernahm die 20 Jahre alte Karoline die Familiengeschäfte. Der Vater war unerwartet gestorben, ihr ältester Bruder gerade einmal neun Jahre alt. Wirtschaftliche und geschäftliche Selbständigkeit waren aber nichts Ungewöhnliches für eine jüdische Frau der Zeit. Schon drei Jahre vorher, 1757, hatte sie den Pferdehandel ihres Ehemannes in die Hand genommen – und ihm so ein Leben ermöglicht, das ganz den religiösen Studien gewidmet war. Karoline organisierte schnell den Familienhandel mit Luxuswaren: edle Pferde, Seide, Juwelen – all das konnte man bei ihr erwerben. Ihr Bruder Jacob Raphael trat bald ins erfolgreiche Geschäft der Schwester ein. Bereits 1768 wurde sie Hoffaktorin in Donaueschingen. Im Patent wird sie dabei als „Kaulla Raphael“ genannt: eine Verkürzung ihres Vornamens, der später zu ihrem geschäftlichen Nachnamen werden sollte. 

 

HERZOG CARL EUGEN VON WÜRTTEMBERG WIRD KUNDE

Zu dieser Zeit bahnten sich Geschäfte mit dem Herzog von Württemberg an. Der lebenslustige Carl Eugen wollte mit seinem Hof glänzen – und das kostete viel Geld. Die Hoffeste waren legendär. Für sein heute noch erhaltenes Theater in Schloss Ludwigsburg engagierte er prominente Sängerinnen, Tänzer und Choreographen, direkt aus Rom, Venedig und Paris. Eine ganze Perlenkette von Schlössern entstand unter seiner Herrschaft, angefangen mit dem Neuen Schloss Stuttgart, Schloss Monrepos und Schloss Solitude bis zum Schloss seines Alters in Hohenheim – um nur die größeren unter den heute noch erhaltenen zu nennen. Keine Frage: Seine Ambitionen belasteten die Finanzen des kleinen Herzogtums schwer. 1770 ernannte er Karoline Kaulla zur „Herzoglich Württembergischen Hoffaktorin“.

 

HOFSCHUTZ UND PROTEST

Im Privaten entwickelte sich Kaulla zur einflussreichen Matriarchin: Sie nutzte ihre Stellung, um ihre fünf Kinder in Familien von Hoffaktoren einheiraten zu lassen. Um 1780 war eine zweite Kaulla-Generation in Darmstadt, München und Wien tätig. Für ihre Verdienste erhielten Karoline Kaulla und ihr Bruder Jacob 1797 den Hofschutz in Ludwigsburg und Stuttgart. Der Herzog wollte sie näher bei sich wissen. Doch der Magistrat, die Stuttgarter Kaufmannschaft und die Landesversammlung protestierten gegen ihre Niederlassung in Württemberg und pochten auf das damals schon 300 Jahre alte Ansiedlungsverbot für Juden im Herzogtum: Das Vorhaben scheiterte.

 

EINE BANK ZUSAMMEN MIT DEM LANDESHERRN

Drei Jahre später wurde ihr Bruder zum Hofbankier in Stuttgart ernannt. Doch schon die Zeitgenossen wussten: Karoline Kaulla hielt eigentlich die Zügel in der Hand, sie blieb die Chefin des Hauses. Die Geschwister verlagerten 1802 den Hauptsitz ihres Handelshauses nach Stuttgart, wenig später gründeten sie die erste Privatbank Stuttgarts. Diese ging noch im selben Jahr in die Württembergische Hofbank, einer der wichtigsten Kreditstützen für das Land, auf. Das Gründungskapital der Hofbank, 300.000 Gulden, stammte zur Hälfte von den Kaullas – und zur Hälfte vom Landesherrn, damals noch Kurfürst Friedrich.

 

ACHTUNG UND WÜRDIGUNG

Am 24. Juni 1806 verlieh Friedrich, inzwischen erster König von Württemberg, fünf Mitgliedern der Familie Kaulla und deren Nachfahren die vollen Untertanenrechte: „… in Hinsicht auf mancherley Verdienste, welche sich die Kaula’sche Familie in den kritischsten Zeiten um das Land erworben hat, aus besonderer Gnade und als Ausnahme von der Regel.“ Karoline Kaulla war nicht unter ihnen – dafür jedoch ihr Bruder Jacob, dessen Schwiegersöhne und zwei Söhne Karolines. Ein Jahr vor ihrem Tod wurde Karoline Kaulla von Kaiser Franz I. von Österreich mit der großen kaiserlichen Zivilverdienstmedaille ausgestattet. Am 18. März 1809 starb die große Unternehmerin in Hechingen. Die Karriere der Karoline Kaulla ist ein frühes Beispiel für den Weg zur bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden im 19. Jahrhundert. Das Unrechtsregime der Nationalsozialisten mit dem Holocaust vernichtete das jüdische Leben in Deutschland und Europa weitgehend und stellt einen tiefen und schmerzhaften Einschnitt in die Geschichte der deutschen Juden und Deutschlands dar.

 

SERVICE: 1700 JAHRE JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND

Im Jahr 2021 kann jüdisches Leben in Deutschland auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken, die im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres mit zahlreichen Veranstaltungen beleuchtet werden soll. Seit dem Jahr 321 leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands: Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin erwähnt die Kölner Jüdische Gemeinde. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Die baden-württembergische Landesregierung stellt die Vermittlung und die positive Akzentuierung von vielfältigem jüdischem Leben heute und der 1700-jährigen jüdischen Geschichte und Kultur auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands ins Zentrum des Festjahres. Zugleich gilt es, dem wiederauflebenden Antisemitismus in Europa entgegenzuwirken. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg machen sich auf eine Spurensuche in den Monumenten des Landes.

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